Maria Schiemann | 01.11.2015
Alles, was Neueinsteiger über LARP wissen müssen
Rollenspiele machen richtig Spaß - meistens zumindest. Da sitzt man mit guten Freunden um einen Tisch und erlebt die wildesten Abenteuer. Ist doch herrlich, oder? Nur dass Pen & Paper irgendwann nicht mehr ausreichte; es musste mehr her. So entstand das „echte“ Rollenspiel, das „Live Action Role Playing“, kurz: LARP.
Es war das erste Mal in den USA, Mitte der 80er Jahre, als ein paar Rollenspieler beschlossen, wirklich durch die Wälder zu streifen und mit einem Schwert in den Kampf zu ziehen. Inzwischen ist das längst keine Ausnahme mehr, LARP-Events werden überall und im großen Rahmen aufgezogen. Viele träumen davon, einmal an einer leibhaftigen Ork-Schlacht teilzunehmen oder in einem wunderschönen Barockkleid durch einen Schlossgarten zu schlendern. Einziges Problem: Neueinsteiger wissen oft nicht, wo und wie man da überhaupt anfängt. Deswegen haben wir im Folgenden die wichtigsten Fragen zusammengestellt und uns um Antworten bemüht.
Wie ist eine LARP-Veranstaltung aufgebaut?
Wenn Leute von LARP reden, ist meistens „FantasyLARP“ gemeint, also Liverollenspiele in einer mittelalterlich geprägten Fantasywelt. Was nicht heißt, dass es nicht auch andere Genres gäbe! Eine kleine Auswahl weiterer LARP-Themen: Star Wars, Cyberpunk, Piraten, Star Trek, Western, Vampire, Mantel und Degen, Horror, Endzeit, Detektivspiele und so einige mehr. In allen Fällen gilt, dass üblicherweise Organisatoren (kurz: Orga) ein solches Event, nun ja, organisieren. Zum Thema passend bieten sie einen entsprechenden Hintergrund und diverse Plots an, an denen man im Kostüm teilhaben kann. Dieses LARP-Event nennt sich Convention, kurz: Con. Der Preis für die Teilnahme fällt sehr unterschiedlich aus, ein Wochenende kann alles zwischen 30 und 500 Euro kosten. Geboten wird einem dafür eine Welt, von der man sonst nur träumen kann.
Meistens gibt es auf den mehrtägigen Cons Spielleiter, die mit den „Nicht-Spieler-Charakteren“ (Kurz: NSC) eine Art Theaterstück vorbereitet haben, das durch die Spieler dann seine eigene Geschichte erhält. Ein solcher Plot könnte etwa von einer dämonenbedrohten Seestadt handeln, die gerettet werden muss. Manchmal gibt’s auch gar keinen Plot und man hat einfach die Möglichkeit, gemütlich zusammen zu sitzen. Unabhängig vom Spieleinhalt geht es hauptsächlich darum, eine Rolle darzustellen und mit seinen Mitspielern zu interagieren.
Was für eine Rolle darf ich spielen?
Seine Rolle darf man sich zwar frei aussuchen, trotzdem sollte man sich über einige Anhaltspunkte vorab Gedanken machen. Die erste Frage, die man sich bei der Entscheidungsfindung stellen sollte, ist: Kann ich das wirklich spielen? Wenn man sich etwa auf eine komplizierte Rolle wie einen Magier stürzt, hat man viele Hausaufgaben vor sich; dann darf man erst mal sämtliche Regelwerke lesen, die unter anderem klären, wie die einzelnen Zauber aufgebaut sind. Allgemein empfiehlt es sich, einen Blick in die Regelwerke zu werfen, von denen die meisten kostenlos im Internet erhältlich sind. DragonSys ist das gängigste Regelwerk und kann in LARP-Geschäften oder Buchhandlungen erworben werden. Prinzipiell ist es keine Pflicht, die Regelwerke gelesen zu haben, sie können den Einstieg allerdings enorm erleichtern.
Die zweite Frage dreht sich um das eigene äußere Erscheinungsbild. Wenn man zum Beispiel stolze 1,95m groß gewachsen ist, ist es dann wirklich ratsam, einen Hobbit zu spielen? Wollt ihr von anderen Spielern ernst genommen werden, wäre es sinnvoll, sich für einen Charakter zu entscheiden, den man glaubhaft darstellen kann. Die Sprache ist auch ein entscheidendes Kriterium. Im FantasyLARP wäre es beispielsweise angemessen, auf moderne Wörter wie „Okay“ oder „Cool“ zu verzichten. Das heißt ausdrücklich nicht, dass es nur erlaubt ist, in den blumigsten und poetischsten Ausdrücken zu kommunizieren. Ganz normales Reden genügt.
Ein letzter Punkt, den man bei seiner Rolle beachten sollte, ist die Sympathie. Sucht ihr euch einen Charakter aus, der besonders grummelig ist und jeden Anwesenden beleidigt, trägt das sicher zur Unterhaltung bei, aber geholfen ist euch damit eher nicht. Die anderen Spieler könnten euch in der Folge meiden – und ihr verpasst so einiges! Noch schlimmer: Entscheidet ihr euch dafür, eine böse Figur wie zum Beispiel einen Dunkelelfen zu spielen, kann es passieren, dass euch die anderen Spieler gleich zu Beginn des Spiels töten. Kleiner Tipp: Die Rolle des Händlers bietet sich hervorragend für Neueinsteiger an, weil man zwangsläufig mit anderen Spielern ins Gespräch kommt. Habt ihr euch für eine Rolle entschieden, fängt die eigentliche Vorbereitung erst an.
Was muss ich für die Rolle vorbereiten?
Was genau braucht eine Figur? Zuerst einmal einen Namen, eventuell eine Herkunft, den Werdegang und ganz allgemein ein Motiv, das den Charakter antreibt. Kurz gesagt: einen Lebenslauf. Am besten ist es, alles so einfach und doch so prägnant wie möglich zu gestalten. Ein „Ralf Raffzahn“ bleibt eher in Erinnerung als ein „Rippsch Zander Mer van der bläulichen Kastanien“. Ihr wisst was wir meinen.
Was gibt es Schöneres, als mit sich selbst kreativ zu sein?
Je nachdem welche Rolle man spielt, gehört auch die Gewandung, beziehungsweise Ausrüstung dazu. Will man in das Hobby erst mal nur reinschnuppern, muss man sich nicht gleich in Unkosten stürzen. Männer können sich beim mittelalterlichen LARP schlicht mit Hemd und Hose aus Leinen ausstatten und das Ganze mit Accessoires individueller gestalten. Auch für Frauen gibt es das eine oder andere günstigere Kleid. Je länger man als LARPer unterwegs ist, desto eher erstellt man seine Kostüme komplett selbst. Bei einem Neueinsteiger wird das jedoch gar nicht erwartet. Turnschuhe und Jeans sind allerdings sowohl beim Thema Fantasy als auch bei Science Fiction ein Fehltritt. Und wer unbedingt einen Ritter darstellen möchte, braucht mindestens Kettenhemd und Helm. Teilweise kann man sich so etwas auch ausleihen, wir empfehlen für den Start aber eine Einsteigergewandung.
Jeder hat mal klein angefangen: Erst Kettenhemd, dann Rüstung.
Ein letzter Punkt sind die Waffen. Beim LARP sind verständlicherweise nur LARP-Waffen erlaubt. Das bedeutet, dass sie in den meisten Fällen aus Schaumstoff bestehen und niemanden verletzen können. Was Fernkampfwaffen angeht, sind diese gewöhnlich auf eine Zugkraft von max 30 lbs beschränkt. Prinzipiell gilt: Schaut euch vorher an, was auf der jeweiligen Con erwartet wird. Wenn im Internet eure Fragen nicht geklärt werden, ist es sinnvoll, beim Veranstalter anzurufen und zu betonen, dass man das erste Mal bei so was teilnimmt.
Auf welcher Con melde ich mich an?
Hat man noch keine Ahnung, welche Con man besuchen möchte oder darf, lohnt es sich, einfach die Veranstaltungskalender im Internet durchzugehen, zum Beispiel den deutschen LARP-Kalender. Viele Events fliegen dann von alleine raus, weil man zum Beispiel volljährig oder zumindest 16 Jahre alt sein muss. Ansonsten kann man sich an seinen eigenen Wünschen orientieren. Steht man mehr auf Action, bietet sich eine SchlachtenCon oder eine AbenteuerCon an. Hat man es lieber gemütlich, kann man auch an einer AmbienteCon oder einer Hofhaltung teilnehmen.
Ist die Entscheidung gefallen, geht es zur Anmeldung. Auch hier gibt es große Unterschiede bei der Erwartungshaltung. Manche Orgas lassen praktisch jede Rolle teilnehmen, gerade wenn es um große Veranstaltungen geht. Andere hingegen erwarten vorab das ganze Charakterkonzept inklusive Fotos. Da kann dann auch mal gefragt werden, welche Cons man bisher schon besucht hat. Sonst gibt es eigentlich nur noch eine Sache, die beachtet werden muss: Wo findet die Con statt? Die Location kann ein luxuriöses Zimmer in einer Burg sein, aber auch einfach ein Waldplatz, auf dem man sein Zelt aufstellen darf. Läuft es auf eine ZeltCon hinaus, sollte man alles mit einpacken, was man auch für einen Campingurlaub braucht. Beachtet auch unbedingt, ob die Orga die Verpflegung stellt oder ob ihr selbst Essen und Getränke mitbringen müsst. Wie immer gilt: Ruft im Zweifelsfall beim Veranstalter vor der Anmeldung an!
Wie beginnt eine Con?
Natürlich ist nicht jedes LARP gleich, doch den Check-In am Anfang gibt es eigentlich immer. Wie dieser Teil der Con ausfällt, kommt ganz auf die Veranstaltung an. Eventuell zeigt man dir nur, wo du dein Zelt aufstellen darfst. Vielleicht werden dir aber auch dutzende Dinge erklärt, die du für die nächsten Tage wissen musst. Oder Fragen gestellt wie: Hast du schon den Unkostenbeitrag bezahlt? Sind deine Waffen wirklich sicher? Gibt es irgendwelche Sonderregeln, die vor Beginn erläutert werden müssen?
Ist das alles durch, kann es endlich losgehen. Ab jetzt ist es wichtig, dass zwischen „In-Time“ und „Out-Time“ unterschieden wird. Der Begriff „Out-Time“ bedeutet, dass man als Spieler gerade etwas sagt oder macht, das nichts mit der Rolle zu tun hat. Es sollte aber weitgehend vermieden werden. Man fährt schließlich nicht auf eine Con, um sich dort mit anderen über Sport oder den Alltag zu unterhalten. Hat man allerdings Fragen, die man nicht „In-Time“ stellen kann, ist es besser, wenigstens darauf zu achten, dass gerade nicht zu viele andere Spieler anwesend sind und man es jemandem nur zuflüstert. Prinzipiell empfinden andere Leute „Out-Time“-Aktionen als störend für das Spiel.
Allgemein lohnt es sich, viel mit den anderen Spielern zu reden, gerade wenn man noch keine Erfahrung hat. Sollte es passieren, dass man irgendwo aneckt oder „In-Time“ in einen Streit gerät, kann man nach dem Spiel noch klären, dass das Ganze nichts mit persönlicher Abneigung zu tun hatte. Bei sämtlichen Fragen ist es auch nie verkehrt, sich einen Spielleiter zu schnappen und sich von ihm abseits des Spiels aufklären zu lassen. Meistens läuft das Ganze eh von alleine und auf einer realen Con sind die Spieler meist wesentlich toleranter, als es irgendwelche Internet-Kommentare vermuten lassen.
Wie simuliere ich etwas?
Kämpfe spielen häufig eine große Rolle beim LARP. Und mal ehrlich: Ist es nicht unter anderem das, was viele Leute erst anlockt? Endlich darfst du ganz offiziell als Held mit einer Waffe in die Schlacht ziehen. Wie man sich vorstellen kann, unterliegen diese Kämpfe allerdings Regeln. In den meisten Fällen sind Schläge auf den Kopf, den Hals oder in die Kniekehlen verboten. Kurz könnte man sagen: Alles was ernsthaft verletzen oder auch nur schmerzen könnte, hat in einem LARP-Kampf nichts verloren. Wer sich nicht daran hält, kann mit einem Converbot belegt werden oder muss gar für einen entstandenen Schaden haften. Ansonsten gilt: Wer im Spiel getroffen oder verletzt wird (also jetzt nicht wirklich), muss das auch spielen. Schlägt euch zum Beispiel jemand auf den Schwertarm, ist es ganz klar, dass ihr das Schwert mit einem Schmerzensschrei fallen lasst.
Kämpft man mit einer Schusswaffe, wie zum Beispiel einem Bogen, dann werden tatsächlich Pfeile abgeschossen. Allerdings sind nur LARP-Pfeile erlaubt, die mit Schaumstoff gepolstert sind und keinen Schaden hinterlassen. Moderne Feuerwaffen werden meist mit NERFguns dargestellt und schießen Weichgummiprojektile ab. Im Gegensatz zur Waffe wird bei der Rüstung jedoch eine „echte“ erwartet. Mit einem Kettenhemd aus Wolle bist du nämlich definitiv nicht geschützt (und es gibt genug Monster, die dir das beweisen wollen). Manche Veranstalter sehen das nicht so eng, andere legen genau vor, welche Kleidung akzeptiert wird und welche nicht. Da musst du dich vorab informieren.
Simuliert werden nicht nur Kämpfe, sondern auch Magie. Geht es um Kampfmagie, können meist Wurfgeschosse eingesetzt werden, die den Gegner nicht verletzen. Hier besteht zum Beispiel die Möglichkeit, dass ein Softball einen „magischen Feuerball“ darstellt. Meistens gebraucht man jedoch für die Magie lediglich Gesten oder Worte. Wie diese genau auszusehen haben, hängt von den jeweiligen Spielprinzipien ab. Hat man eigene Ideen für seine Zauberei entwickelt, kann man diese vor der Con mit den Spielleitern absprechen. Ansonsten gibt es genug Regelwerke, in denen genau beschrieben wird, wie ein Zauber auszusehen hat und unter welchen Voraussetzungen er gelungen ist. Prinzipiell gilt: Alles hat so echt auszusehen wie möglich, darf aber auf keinen Fall echt sein. Gerade wenn es ums Kämpfen geht.
Weitere Verhaltensregeln
Klar, wir wissen jetzt alle, dass wir unsere Rolle so authentisch wie möglich rüberbringen sollten. Und natürlich dürfen wir niemanden verletzen. Aber ist das schon alles, was man beachten muss? Tatsächlich gibt es immer wieder bestimmte Punkte, die nicht jedem klar sind. Zum Beispiel:
- Ob ihr es glaubt oder nicht – Alkohol ist nicht jedermanns Sache. Wer keinen trinken will, sollte auch nicht von anderen dazu gezwungen werden. Dem Spiel ist definitiv auch nicht geholfen, wenn ihr einem trockenen Alkoholiker heimlich Rum in den Tee schüttet. Wer selbst gerne einen über den Durst trinkt, sollte in diesem Moment den gefährlichen Teilen des Spiels fern bleiben. Wer es mit dem Alkoholkonsum übertreibt, wird am Ende nach Hause geschickt.
- Manche Leute haben Allergien, etwa auf Weizen. In diesem Fall könnte es unschön werden, wenn ihr auf die betreffende Person Mehl werft, nur weil das einem „Versteinerungszauber“ entspricht. Am besten ist es, auf Zugaben jeglicher Art zu verzichten oder dafür zu sorgen, dass die jeweiligen Opfer Bescheid wissen, wie der Zauber, das Gift etc verabreicht wird und welche Wirkung es hat.
- Wer Kinder oder Tiere auf eine Veranstaltung mitnimmt, muss sich seiner eigenen Aufsichtspflicht bewusst sein. Gerade Hunde mögen es gar nicht, wenn jemand mit einer LARP-Waffe auf das eigene Herrchen losgeht. Und natürlich gibt es auch Menschen, die Hunde nicht mögen oder Angst vor ihnen haben. Seid euch dessen bewusst! Und was die Kinder angeht: Bedenkt die gefährlicheren Parts einer Con. Die Veranstalter haben keine Zeit, Babysitter zu spielen.
- Reale Religionen haben auf einer Con nichts verloren. Erstens gibt es genug ausgearbeitete Spielreligionen. Und zweitens kann es für einen Gläubigen eine große Belastung sein, wenn er mit seiner Realreligion konfrontiert wird, diese aber im Spielverlauf ablehnen muss.
- Die Darstellung von Folter oder sexueller Vergewaltigung sollte grundsätzlich unterlassen werden. Wird die Darstellung zu realistisch, kann das bei dem Opfer zu einem echten Trauma führen, auch wenn es kein reales Erlebnis ist. Egal wie detailliert die Darstellung ausgeführt wird, kann man für eine solche Aktion von der Veranstaltung geworfen werden.
Also: LARP ist ein geniales Hobby, das aber viel Zeit und Mühe erfordert – und in manchen Fällen auch nicht wenig kostet. Es ist allerdings auch ein Hobby, das sich mit nichts vergleichen lässt! Während an anderen Stellen nur geträumt wird, kann man seiner Fantasie hier freien Lauf lassen. Oder wie Frankie es aus der Rocky Horror Picture Show formulieren würde: Don’t dream it, be it.