Maria Schiemann | 11.12.2015

Pen & Paper oder LARP? Ein Interview

LARP Pen&Paper

Die meisten Menschen träumen davon, in eine andere Rolle zu schlüpfen. In einer fremden, fantastischen Welt zu leben – zumindest zeitweise. Da erstaunt es fast, dass das Pen & Paper-Rollenspiel erst in den 1970er Jahren ins Rollen kam. Das erste Regelwerk mit dem Namen Chainmail wurde vom Spieleautor Gary Gygax auf den Markt gebracht und ist der Vorläufer zum vermutlich bekanntesten Pen & Paper-Spiel überhaupt: Dungeons and Dragons. Hier konnte man sich seinen Wunsch-Charakter erstellen, mit Freunden Abenteuer bestehen und spannende Kämpfe mit Würfeln austragen. Ungefähr zehn Jahre später kamen die ersten Rollenspieler auf die Idee, ihre rein mentale Welt Wirklichkeit werden zu lassen. Also besorgten sie sich (fast) echte Waffen und streiften durch echte Wälder – der Grundstein für das Live Action Role Playing (LARP) war gelegt.

Es gibt also ganz unterschiedliche Möglichkeiten, in entlegene Fantasiewelten einzutauchen und mit seinem fiktiven Charakter Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen. Doch bei allen Ähnlichkeiten, was ist besser, LARP oder Pen & Paper? Was macht mehr Spaß? Wo fällt der Einstieg leichter? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, haben wir uns mit Mike getroffen, ein Experte auf beiden Gebieten. Er besucht seit vielen Jahren LARP-Conventions und spielt regelmäßig Pen & Paper.

 

Mike LARP

Hey Mike! Wie bist du zum LARP gekommen?

Das ist eigentlich recht simpel. Ich war schon einige Jahre zuvor mit Pen & Paper in Berührung gekommen und allgemein sehr interessiert am Fantasy-Bereich. Irgendwann sprach mich dann ein Freund auf die Möglichkeit an, Pen & Paper live zu spielen und erklärte mir die Grundzüge. Ein paar Monate später begleitete ich ihn dann zu meinem ersten LARP.

Beschreib doch mal die Figur, die du spielst.

Das ist gar nicht so einfach, da die Frage lauten müsste, welche Figuren ich spiele. LARP bedeutet auch, Dinge auszuprobieren. Je mehr Ideen man hat, umso mehr Rollen spielt man langfristig. Mein erster Charakter, den ich auch heute noch spiele, ist ein Magier. Ein Erdmagier, um genau zu sein. Er hat sich gänzlich der Natur und der Erdkraft verschrieben und ist als Wächter selbiger konzipiert. An dieser Grundidee orientiert sich alles, meine Kleidung zum Beispiel ist farblich auf grüne und braune Töne abgestimmt.
Das Wichtigste sind aber die vielen Kleinigkeiten, die man sich im Vorfeld überlegen muss. Wie verhält sich der Charakter in bestimmten Situationen? Was mag er? Was mag er nicht? Wo liegen die Grenzen seiner Macht? All das habe ich von Anfang an definiert. Deswegen wird man mich auch nach 13 Jahren in dieser Rolle keinen Windstoß zaubern sehen, obwohl das eigentlich auf jedem gängigen LARP ein Lehrlingszauber ist.

Was hast du sonst alles für die Rolle vorbereitet?

Hier gilt der Grundsatz “Du kannst, was du darstellen kannst". Das fängt bei der Kleidung an, betrifft aber auch alles, was ich brauche, um meine Magie sinnvoll darzustellen. Prinzipiell ist es wie beim Theater, da musst du auch überlegen, welche Requisiten du für eine gute Show brauchst. In meinem Fall ist das eine passende Robe, ein Magierstab und vor allem viele Taschen, in denen ich Schriftstücke und Komponenten wie Rauchbälle verstauen kann. Ich habe aber auch einen größeren Rucksack mit Dingen, die ich für große Rituale benötige.

Mal ein ganz simples Beispiel, das zeigt, wie wichtig die Details sind. Ich habe immer ein Stück Kreide dabei, mit dem ich erfundene magische Runenzeichen auf Steine malen kann. Damit unterstütze ich direkt die “Show”. Außerdem habe ich für die Nacht einige Knicklichter parat, mit denen ich eine sichtbare magische Barriere darstellen kann, das ist auch wichtig für die Mitspieler. Von diesen Kleinigkeiten könnte ich jede Menge aufzählen.

Bekommst du auch Unterstützung von anderen Leuten? Und wenn ja, von wem?

Das Schöne am LARP ist, dass man sehr schnell Gleichgesinnte kennenlernt. Deshalb lautet die Antwort ganz klar: Ja, man bekommt viel Unterstützung. Wenn du eine tolle Idee hast, aber nicht weißt, wie du sie umsetzen sollst, fragst du einfach einen erfahreneren Spieler. Gerade innerhalb der eigenen Gruppe ist das gar kein Problem, etwa wenn dir das bastlerische Können für irgendwas fehlt.

Man bekommt aber Hilfe innerhalb der ganzen Szene, nicht nur in der eigenen Gruppe. Ich glaube, ich würde heute nicht larpen, wenn mir am Anfang niemand zur Seite gestanden hätte. Das ist auch heute noch so, man hilft sich einfach gern. Ich war zum Beispiel nie ein guter Bastler, aber meine Frau hat unglaublichen Spaß an der Bearbeitung von Leder. Da bekommt man im Zweifel einfach eine neue Schwertscheide zum Geburtstag.

Mike LARP

Du gehst aber nicht nur auf LARP-Conventions sondern spielst auch viel Pen & Paper. Wie läuft das genau ab?

Der Grundsatz ist eigentlich identisch. Man legt fest, in welchem Setting man spielen will, etwa Fantasy, Western, Science-Fiction, was immer man mag. Danach überlegt man sich seine Rolle und wie man diese darstellen möchte. Soweit also genau wie beim LARP, mit dem Unterschied, dass beim Pen & Paper alles ein Konstrukt der eigenen Fantasie bleibt. Das ist ganz wichtig, denn das Spiel lebt davon, dass man selbst und auch die Mitspieler die nötige Vorstellungskraft haben. Beim LARP muss ich niemandem erklären, welche Haarfarbe ich habe, beim Pen & Paper schon. Wie bei einem guten Roman gewinnt die Atmosphäre durch lebendige und einfallsreiche Beschreibungen.
Der zweite große Unterschied ist, dass man beim Pen & Paper auch Rollen spielen kann, die man live nicht darstellen könnte. Du bist 1,90 Meter groß und willst einen kampferprobten Zwerg spielen? Kein Problem! Auch der Ablauf ist eigentlich ganz simpel: Man beschreibt alles, was die Rolle im Spiel vollbringt. Betritt man einen Raum, erzählt der Spielleiter der Gruppe, was dort zu sehen ist. Im Gegenzug beschreiben die Spieler, wie sie handeln.

Trefft ihr euch im größeren Rahmen oder nur im Freundeskreis?

Ich für meinen Teil betreibe Pen & Paper nur im Freundeskreis. Man trifft sich und spielt gemütlich, solange man Lust hat, genau wie beim klassischen Brettspiel-Abend. Es gibt aber auch Spieletreffs, bei denen meistens noch Gruppen gebildet werden. Das ist meistens ein guter Einstieg, um neue Spielsysteme auszuprobieren oder einfach Anschluss an eine Gruppe zu finden. Sobald man feststellt, dass eine Gruppe passt und man die Geschichte weiterspielen will, bleibt man meistens in diesem Kreis zusammen.

Pen & Paper

Was für Vorteile hat das Pen & Paper-Rollenspiel im Vergleich zum LARP?

Da gibt es einige. Neben dem bereits erwähnten Vorteil, dass man auch Rollen spielen kann, die man nicht live verkörpern kann, lässt es sich wesentlich einfacher organisieren. Beim LARP ist das mit mehr Aufwand verbunden, man braucht ein passendes Gelände, vernünftige Gewandungen und vieles mehr. Das alles gibt’s beim Pen & Paper nicht. Deswegen ist es auch deutlich günstiger und lässt sich auch mal “nebenbei” spielen – obwohl eine Partie ziemlich lange dauern kann. Als ich mit Pen & Paper anfing, gab es eigentlich nur einen Zettel mit meinen Werten, einen Bleistift, ein paar Würfel und eine Idee.

Und gibt es auch Vorteile, die das LARP bietet?

LARP ist einfach ein Erlebnis! Man erlebt diese Momente nicht nur in seiner Fantasie sondern hautnah. Der Nervenkitzel ist echt, wenn man nachts durch den Wald läuft! Der Vorteil ist also meines Erachtens die tiefere Wahrnehmung. Davon abgesehen ist man draußen an der frischen Luft, lernt unglaublich viele neue Leute und Eindrücke kennen. Ich würde sogar behaupten, dass LARP dabei hilft, sein eigenes Können zu verbessern, etwa in den Bereichen Organisation, Rhetorik und so weiter.

Wenn du dich entscheiden müsstest, was macht dir mehr Spaß und warum?

Beide Hobbys sind sehr vielschichtig und unterschiedlich, da will ich eigentlich nicht wählen. Wenn aber wirklich nur eins ginge, würde ich wohl das LARP nehmen. Selbst heute, nach 13 Jahren, erinnere ich mich noch an viele spannende Momente, die ich erleben durfte. Es hat mich stärker geprägt als jedes andere Hobby.

Und zum Schluss noch: Gibt es irgendeinen Tipp, den du einem Neueinsteiger beim Rollenspiel geben würdest?

Eigentlich nur das: Lass dich darauf ein, leb deine Fantasie aus. Such den Reiz deiner Rolle nicht in den Fähigkeiten des Charakters sondern in den kleinen Details und Marotten, die deine Figur so einzigartig machen wie einen “echten” Menschen.

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